10.09.2014

Einblicke in meine Architekturfotografie

10.09.2014

Einblicke in meine Architekturfotografie

Das erste Aufeinandertreffen mit einem meiner ausgewählten Gebäude ist immer wieder spannend, aufregend und voller Überraschungen, ähnlich wie eine erste Begegnung mit einem unbekannten Menschen. Etliche Fragen gehen mir in den letzten Momenten durch den Sinn: Wie wird es sich anfühlen, wenn wir uns gegenüber stehen? Finden wir ins Gespräch miteinander, welche Geheimnisse wird es mir Preis geben und welche Überraschungen bringt das Treffen mit sich? Entspricht es meinen Hoffnungen, Erwartungen, Vorstellungen, oder wird die gemeinsame Zeit eine Enttäuschung ohne die gewünschten Motive?

Einblicke in meine Architekturfotografie

Ich wage mal zu behaupten, dass die Architekturfotografie insgesamt etwas aufwändiger ist, als beispielsweise die von Menschen, Landschaften oder Strassenszenen. Aus Gesprächen mit anderen Architekturfotografen weiß ich, dass auch bei ihnen die Vorbereitungsphase von ebenso grosser Bedeutung ist, wie das eigentliche Shooting selbst.

Seit langer Zeit bereite ich mich sehr sorgfältig auf meine Fototouren vor, was nicht bedeutet, dass ich nicht trotzdem zufällig interessante Objekte in meinem unmittelbaren Umfeld entdecke und spontan fotografiere. Wenn ich jedoch für einige Tage in eine andere Stadt reise, um dort Fotos zu machen, recherchiere ich im Vorfeld potentiell spannende Gebäude sehr genau. Das ist wichtig, um die verfügbare Zeit so effizient wie möglich nutzen zu können.

Einblicke in meine Architekturfotografie

Die wichtigsten Kriterien und Informationen bei der Vorbereitung sind für mich:

– der genaue Standort inklusive der kompletten Adresse

– die Himmelsrichtung, um zur richtigen Tageszeit bei dem Objekt einzutreffen und Gegenlichtaufnahmen zu vermeiden

– die bauliche Situation, um u.a. festzustellen, ob das Objekt zur Zeit eingerüstet ist und Sanierungsmassnahmen daran stattfinden, oder ob in der Nachbarschaft gebaut wird, so dass ggf. Baukräne oder -maschinen im Bild stehen könnten

– die Eignung des Motivs zur Veröffentlichung auf Instagram, denn nicht jedes Foto kann auf dem kleinen Display eines Smartphones seine Ästhetik entfalten, wogegen es wiederum in einem grösserem Format sehr beeindruckende Wirkung auf seine Betrachter haben kann

– schlussendlich die Wettersituation, denn da ich ausschliesslich unter freiem Himmel arbeite, ist dieser Punkt essentiell für meine Arbeit, und entsprechend regelmäßig überprüfe ich die Wetterprognosen.

Einblicke in meine Architekturfotografie

Abgesehen davon ist natürlich auch relevant, ob das Gebäude im öffentlichen Raum oder auf einem Privatgrundstück steht. Zumindest für Deutschland kommt hier die Regelung zur sogenannten „Panoramafreiheit“ zum Tragen. Sie besagt, dass Außenaufnahmen und deren Verwendung ohne Zustimmung des Urhebers bzw. Architekten zulässig sind, sofern die Aufnahmen von öffentlichen Straßen und Plätzen aus erfolgen. Andernfalls ist es erforderlich, sich eine entsprechende Genehmigung von den Architekten oder Betreibern des Objektes einzuholen. Ich habe selbst bereits mehrfach Fotografien vor den Augen des Wachpersonals von meiner Kamera löschen müssen, da ich keine offizielle Berechtigung hatte, um zum Beispiel Gebäude auf dem Gelände eines Unternehmens zu fotografieren. Um Frust und Ärger zu vermeiden, empfehle ich Euch daher, im Vorfeld zu prüfen, ob ihr ohne weiteres dort fotografieren dürft. Wie diese Frage ausserhalb Deutschlands geregelt ist, weiß ich leider nicht.

Einblicke in meine Architekturfotografie

Auch wenn ich all diese Fragen im Voraus berücksichtige und mit den im Internet verfügbaren Diensten für mich zu beantworten versuche, gibt es immer wieder Überraschungen. Zum Beispiel hielt ich mich Anfang dieses Jahres für einige Tage in Berlin auf und wollte die Gelegenheit nutzen, um neue, mir noch unbekannte Gebäude anzuschauen – darunter die St. Canisius Kirche in der Nähe des Lietzensees, von der ich bereits beeindruckende Bilder im Netz gesehen hatte. Letztendlich waren drei Tage erforderlich, um einige Aufnahmen machen zu können. Am ersten Tag wurde dort ein junges Paar getraut, am zweiten fand ein Gemeindefest statt, und erst am dritten Tag hat es geklappt.

Für die Recherche der Gebäude nutze ich verschiedene Architekturverzeichnisse und Webdienste, u.a. MIMOA.eu, ein sehr aktuelles und umfangreiches Architekturverzeichnis,  diverse Tumblr Blogs, Twitter, Panoramio, flickr, Instagram sowie Kartenanbieter wie bspw. Google Maps. Die recherchierten Informationen übertrage ich in meine Listen und stelle mir anschliessend die günstigsten Routen durch die jeweilige Stadt zusammen. In der Regel ergeben sich auf den Touren ungeplante Fotosessions mit Gebäuden, die nicht auf meinen Listen standen, weil sie in meinen Quellen nicht aufgeführt waren. Ich freue mich immer sehr über diese spontanen Begegnungen und unerwarteten „Beifang“.

Einblicke in meine Architekturfotografie

Sobald ich am Gebäude eingetroffen bin, fertige ich einige fotografische Notizen an und versuche mich auf diese Art dem Motiv anzunähern. Mitunter nimmt der Annäherungsprozess etwas Zeit in Anspruch, aber diese Phase ist wichtig für meine Arbeit, um in eine Art Zwiegespräch mit dem Gebäude zu treten. Aus diesem Grund bin ich stets allein unterwegs, um den Dialog mit meinem Motiv in Ruhe und ohne Ablenkung führen zu können. Es gab allerdings in der Vergangenheit auch Situationen, in denen ich vor Ort feststellen musste, dass ein Motiv wider Erwarten doch nicht für meine Fotografie geeignet war.

Während des Shootings achte ich darauf, dass anschliessend keine grösseren Edits der Fotos vor deren Veröffentlichung erforderlich sind. Falls nötig verwende ich für den Feinschliff von Sättigung, Helligkeit und Kontrast die Apps Snapseed und VSCOcam. Ansonsten benutze ich ausschliesslich den Instagram Filter „Brannan“, um meinem Feed insgesamt ein einheitliches „Look & Feel“ zu geben.

Einblicke in meine Architekturfotografie

Ich halte die visuelle und inhaltliche Konsistenz sowie eine spannende Dramaturgie der Motivabfolge innerhalb des Feeds für die wichtigsten Stilmittel, um z.B. von der Instagram Community wahrgenommen zu werden und bezüglich Follower-Zahlen zu wachsen. Schöne Beispiele dafür sind die Feeds von Janske Kaethoven aus Belgien (@janske), Serge Najjar aus Libanon (@serjios), Simone Bramante aus Italien (@brahmino) oder K aus den USA (@kbasta). Ich schätze die Arbeit dieser Vier sehr, auch wenn sie sich teilweise ganz anderen Themen widmen als der Architektur.

Sebastian Weiss

Er arbeitet als Kreativer in der Internetwirtschaft und ist als Fotokolumnist für AD Architectural Digest Germany tätig.

Instagram: http://instagram.com/le_blanc
EyeEM: http://www.eyeem.com/leblanc
Behance: https://www.behance.net/leblanc
Tumblr: http://leblanccom.tumblr.com
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