Kaye ford for Manfrotto

20.04.2018

So fühlen sich die Leute vor Ihrer Kamera wohl

written by:
Kaye Ford

20.04.2018

So fühlen sich die Leute vor Ihrer Kamera wohl

Kaye Ford für Manfrotto

Porträts machen einen Großteil meiner Arbeit aus. Sei es in aller Öffentlichkeit bei Veranstaltungen oder nur Sie und Ihr Motiv unter vier Augen, Porträts liegen mir, ich mache beruflich Porträtfotos. Porträts machen Spaß und mit ihnen lässt sich gut experimentieren. Auch konzeptuelle und surreale Ansätze können mit Porträts verfolgt werden. Natürlich brauchen Sie Kenntnisse über die Beleuchtung (sei es Tageslicht oder künstliches Licht), Ihre Kamera und grundlegendes Wissen über Fotografie (wie über den Bildaufbau), um ein gutes Porträt zu machen, aber wussten Sie schon, dass es bei einem Porträt zu schätzungsweise 75 % darum geht, wie Sie es schaffen können, dass sich jemand bei Ihnen und vor der Kamera wohlfühlt, hinter der Sie Ihr Gesicht verbergen?

Porträts können einschüchternd sein. Sie sind ein Augenblick zwischen Ihnen und einer anderen Person. Diese Art der Intimität kann viele Leute verschrecken. Sie fühlen sich dann befangen und verlegen. Und dieses Gefühl der Befangenheit oder Verlegenheit kann sich in Ihrem Porträt widerspiegeln. Sei es in der Körpersprache, in einem winzigen Gesichtsausdruck, oder in den Augen, ein ungutes Gefühl des Motivs wird sich auf dem Bild zeigen und so wird das ganze Porträt ein Unwohlsein ausstrahlen. Wir Fotografen müssen wissen, wie wir es schaffen, dass sich unser Motiv wohl fühlt und entspannt und sich vor der Kamera locker gibt. Nur so können wir den perfekten Moment einfangen. Wir Fotografen müssen den Umgang mit Menschen lieben, besonders, wenn unser Job im Bereich Porträtfotografie und Fotografie anderer Menschen liegt. Fotografieren bedeutet schließlich so viel mehr als nur ‚auf den Auslöser zu drücken‘. Nicht jeder ist ein geborenes Modell, liebt sofort die Kamera und weiß, wie er fotogen sein und sich von seiner besten Seite zeigen kann. Unsere Aufgabe besteht aber darin, das für jeden Menschen herauszufinden, während wir ihn fotografieren, und zugleich dafür zu sorgen, dass er sich wohlfühlt und auch Spaß hat – ansonsten ist er vielleicht dauerhaft abgeschreckt von der Fotografie!

Die einfachste Möglichkeit, wie sich jemand vor Ihrer Kamera wohlfühlt, ist eine Verbindung zu der Person aufzubauen. Wenn Sie eine Person fotografieren, verbringen Sie zwar nur eine begrenzte Zeit mit ihr, nehmen Sie sich aber unbedingt trotzdem ein paar Minuten Zeit, ganz natürlich mit ihr zu plaudern und das Gespräch in Gang zu bringen. Finden Sie ein wenig mehr über die Person heraus und sorgen Sie mit einer geschickten, ganz natürlichen Unterhaltung dafür, dass sie sich wohlfühlt. Wenn ich jemanden zum ersten Mal fotografiere, nehme ich mir oft erst ein paar Minuten Zeit, um einfach kurz mit ihm zu sprechen, wie sein Tag war, und ein Gespräch zu starten. Häufig rede ich weiter, wenn ich ihn fotografiere. Dann vergisst er, dass die Kamera überhaupt da ist und bekommt das Gefühl, er würde mit einem Bekannten sprechen. Auch die sozialen Medien helfen uns heute sehr, denn dort können die Leute sich schon mit Ihnen unterhalten und mit Ihnen interagieren, bevor sie Sie anheuern. So fühlen die Leute sich später in Gesellschaft des Fotografen noch wohler. Wenn ich mir wünsche, dass jemand auf meinen Fotos natürlich lächelt, erzähle ich oft eine lustige Geschichte, die ich erlebt habe, und knipse dann einfach die verschiedenen Reaktionen auf meine Erzählung.

Kaye Ford für Manfrotto

Wenn Sie in einem Studio sind, können Sie Ihre Kamera auf ein Stativ stellen und einen Fernauslöser benutzen. So verdeckt Ihre Kamera nicht Ihr Gesicht und Sie können das Gespräch mit Ihrem Motiv ohne Kamera im Gesicht fortsetzen. Die Fotografierten fühlen sich gleich wohler und Sie wirken wie ein Mensch und nicht wie die Maschine, die Sie benutzen. Wenn ich merke, dass sich mein Motiv in einer Studio-Umgebung trotzdem noch unwohl fühlt (einige Menschen kennen das nicht, deshalb kann es verwirrend sein, von Studiolichtern umgeben zu sein!), bringe ich meine Kamera häufig auf meinem Manfrotto 190 Stativ mit Kopf an und nutze dann das integrierte WLAN meiner Kamera, um sie mit meinem Handy fernzusteuern. So klebe ich nicht mit dem Gesicht hinter der Kamera und mein Motiv kann mein Gesicht und meine Gesichtsausdrücke sehen.

Kaye Ford für Manfrotto

Sobald Sie das Eis ein wenig gebrochen und der Person geholfen haben, sich wohl zu fühlen, fotografieren Sie natürlich drauf los. Doch manchmal bemerken Sie dann eine Kleinigkeit in der Körpersprache Ihres Motivs, die darauf hindeutet, dass die Person sich immer noch nicht wirklich wohl fühlt. Viele Menschen sind ein wenig unsicher über einige Teile ihres Körpers und fühlen sich befangen. Das zeigt sich dann ganz klar auf den Fotos. So entstehen Porträts, die Unwohlsein ausstrahlen. Unsere Aufgabe besteht darin, dieses Problem zu lösen und eine Lösung zu finden. Einmal fotografierte ich ein Mädchen namens Chloe und spürte einfach, dass sie sich mit ihrem Bauchbereich unwohl fühlte. Sie griff sich immer wieder an den Bauch, als ob sie ihn verstecken wollte. Bei dieser Geste sah ihr Gesicht total unbehaglich und befangen aus, doch sobald ich sah, dass sie einen Hut in ihrer Tasche hatte, bat ich sie, diesen herauszuholen und ihn vor den Bereich zu halten, der ihr Unbehagen bereitete. Sie fing auf den Fotos sofort an zu strahlen, denn die Körperstelle, die ihr nicht gefiel, würde auf den Bildern nicht mehr zu sehen sein und es sah einfach nur aus, als hätte sie gerade ihren Hut abgenommen. Natürlich hat nicht jeder einen Hut zur Hand, aber wenn Sie merken, dass jemand sich mit einem bestimmten Teil seines Körpers unzufrieden fühlt, liegt es an uns, eine Möglichkeit zu finden, diese Stelle zu kaschieren, um schönere Porträts schießen zu können.

Kaye Ford für Manfrotto

Das bringt mich zu meinem nächsten Punkt: Manche Menschen fühlen sich viel wohler dabei, von der Kamera wegzusehen als direkt in die Kamera zu schauen. In ein Objektiv zu blicken kann wirklich erschreckend und intensiv sein. Wenn mir also auffällt, dass sich mein Motiv dabei nicht wohlfühlt, bitte ich es, den Kopf leicht zu bewegen, um mir mehr von seiner Schokoladenseite zu zeigen (schließlich hat jeder eine Schokoladenseite). Dies verringert die Verbindung, die die Leute zur Kamera spüren, und hilft, sich ein wenig mehr zu entspannen. Sie können die Leute trotzdem noch bitten, ins Objektiv zu schauen, aber da ihr Kopf leicht geneigt ist, erscheint es nicht mehr, als würden Sie intensiv in die Linse starren. Alles kommt etwas lockerer rüber. Wenn Sie mögen, spielen Sie auch ein wenig damit, Ihre Motive komplett von der Seite abzulichten, und bitten Sie die Leute, den Winkel ihres Kopfes nach einigen Aufnahmen ganz langsam zu ändern. Bitten Sie Ihre Motive außerdem, die Position ihrer Augen zu ändern. Auf einigen der gelungensten Porträts erscheint es schließlich, als würden die Motive tagträumend in die Ferne sehen.

Kaye Ford für Manfrotto

Wenn die Augen hin und her huschen und die Leute nicht wissen, wo sie eigentlich hingucken sollen, sind Sonnenbrillen ein schickes Accessoire, das nie aus der Mode kommt. Jeder hat eine und bei verdeckten Augen müssen Sie sich keine Sorgen machen, wo die Leute wirklich hingucken oder ob sie bei 90 % der Aufnahmen geblinzelt haben. Mal ernsthaft, ich habe schon so viele Leute fotografiert, die bei 90 % der Aufnahmen geblinzelt haben und es beschäftigt sie so sehr, dass sie weiter im genau falschen Moment blinzeln. Einige Leute machen sich auch Sorgen um ihre Augenränder. Auch diese können Sonnenbrillen gut verstecken, wie ich oben schon beschrieben habe. Eine Sonnenbrille auf einem Porträt ist nicht jedermanns Sache, aber Sie MÜSSEN es einfach probieren.

Kaye Ford für Manfrotto

Je nachdem, wie lang das Format des Porträts ist, das Sie aufnehmen, wissen manche Leute nicht, wohin mit ihren Händen, und lachen oft darüber. Eine Pose, in der eine Hand auf der Hüfte liegt, ist irgendwann ausgeschöpft. Die meisten meiner Porträts fotografiere ich so, dass sie an der Hüfte oder Taille enden, meist hängt das vom Outfit ab. Hier sind ein paar Tipps, was Leute tun können, die wirklich nicht wissen, wohin mit ihren Händen. Ich LIEBE es, wenn eine Hand in der Tasche steckt. Die Leute fühlen sich dann sofort entspannter und cooler, egal ob Mann oder Frau. Wenn die Jeans oder Jacke Taschen hat, bitten Sie Ihr Motiv einfach, eine oder beide Hände in die Tasche zu stecken und schon machen sich die Leute keine Sorgen mehr über ihre Hände und können sich auf das Bewegen konzentrieren.

Kaye Ford für Manfrotto

Keine Taschen am Outfit? Kein Problem. REQUISITEN! Zum Requisit kann alles werden, von einer Kaffeetasse über ein Handy oder eine Sonnenbrille, die jemand in der Hand hält, absolut alles, das das Porträt und den Shooting-Ort abrundet, hilft den Leuten dabei, sich zu entspannen und gibt ihren Hände eine Beschäftigung. Wenn die fotografierte Person sitzt, kann sie sogar den Kopf in die Hand legen, auch so weiß sie, wohin mit ihrer Hand und ihrem Arm. Oder sie kann mit ihren Haaren spielen, auch das ist eine tolle Möglichkeit. In diesem Fall betrachte ich die Haare als Requisiten. Aber ich will nicht lügen, ich bin ein RIESIGER Fan von Essen als Requisit und die Leute scheinen wirklich mehr Spaß zu haben, wenn sie wissen, dass sie hinterher etwas essen können.

Kaye Ford für Manfrotto

Erinnern Sie sich, dass ich meinte, einige Leute wüssten nicht, wohin mit ihren Händen? Für die Beine gilt das Gleiche. Im Stehen wissen VIELE Leute nicht wirklich, wie sie stehen sollen oder wie sie ihre Beine oder Füße positionieren sollen. Auch das führt wieder zu Befangenheit und die Motive denken dann viel zu viel über die Aufnahmen nach, bevor sie sie überhaupt gesehen haben. Aus irgendeinem Grund löst sich ein Großteil dieses Unwohlseins auf, wenn die Motive sich hinsetzen, weil sie dann vergessen können, wie ihre Beine UND ihre Arme UND ihr Gesicht aussehen und sich einfach auf ihr Gesicht und ihre Arme konzentrieren können. So müssen Sie sich im großen Ganzen des Porträts über eine Sache weniger Sorgen machen. Je nachdem, wie das Motiv sitzt, kann es Eleganz oder wahre Lockerheit und Entspanntheit ausstrahlen. Ich liebe es, wenn die Mädels sich wie Jungs hinsetzen und so eine „mir doch egal“-Einstellung haben und einfach ihre Beine übereinander schlagen und vergessen und sich mehr darauf konzentrieren, was ihre Arme auf der Aufnahme machen. Wo jemand sitzt kann auch ein großes Requisit werden. Ein Hocker ist toll fürs Studio, aber im Freien nicht wirklich. Doch sobald Sie eine Bank finden, kann Ihr Motiv sich hinsetzen und auch die Arme auf die Armlehnen legen. So müssen die Leute sich nur noch darum kümmern, wie ihr Gesicht auf den Fotos aussieht. Je weniger sie über ihre Körperposition und Posen grübeln, desto entspannter werden sie.

Kaye Ford für Manfrotto

Manchmal fühlt sich jemand allein vor der Kamera einfach nicht wohl. Dann braucht es Zeit und Übung auf Seiten des Motivs. Eine Möglichkeit, wie die Person sich gleich wohler fühlt: Fotografieren Sie sie gemeinsam mit einem Freund. Uns als Fotografen stellt das auf die Probe, weil wir zwei (oder mehr) Menschen anleiten müssen, aber mir machen Herausforderungen immer eher Spaß, da ich so zwei Menschen miteinander interagieren und Spaß haben lassen kann. Eine Porträt-Session sollte man nicht zu ernst nehmen. Sie können ein Duo oder eine Gruppe auch so dynamisch anleiten, dass das Ergebnis besser wird, als wäre es ein Soloporträt gewesen. Da das Motiv in einer kleinen Gruppe oder mit einem engen Freund zusammen ist, vergisst es, dass Sie da sind und spricht dann mit der anderen Person, hat Spaß, und Sie können einfach die Interaktion zwischen den beiden oder in der Gruppe einfangen. So fangen Sie an, natürliche Interaktion abzulichten und erhalten die besten Perspektiven. Letztlich können Sie so eine ehrlichere und echtere Seite eines Menschen fotografieren als nur ein Porträt. Sie porträtieren eine Beziehung.

Kaye Ford für Manfrotto

Ich habe es zwar schon erwähnt, aber REQUISITEN, REQUISITEN, REQUISITEN. Sie können ein Porträt nicht nur bereichern, sondern den Menschen auch helfen, sich wohler zu fühlen, weil sie dann etwas zu tun haben oder in eine Rolle schlüpfen und so tun können, als wären sie jemand anders. Mit einer Kaffeetasse in der Hand können Frauen so tun, als wären sie eine Chefin, die auf dem Weg zum nächsten Meeting die Straße entlang eilt, ein Blumenstrauß kann mädchenhaft und süß wirken, die Motive können sich dahinter verstecken oder dahinter hervor gucken. Eine Sonnenbrille lässt jeden sofort schick und modisch aussehen und die Models können so tun, als wären sie Anna Wintour von der American Vogue. Magazine oder Bücher helfen, die Leidenschaft einer Person zu zeigen, ohne allzu aufdringlich und offensichtlich zu wirken. Requisiten können einen Aspekt des Lebensstils in die Bilder bringen und zugleich helfen, auf dem Foto mehr von der Geschichte einer Person zu erzählen und ein Gefühl für ihre Persönlichkeit zu vermitteln. Geben Sie den Menschen ein Requisit, das zu ihnen passt, und freuen Sie sich, wenn sie vor Ihrer Linse zum Leben erwachen!

Wie schon gesagt: Ich habe das Gefühl, 75 % unseres Jobs als Fotografen besteht darin, den Leuten ein gutes Gefühl zu vermitteln, bevor wir zu den 25 % technischen Aufgaben kommen, die wir mit unserer Kamera und hinter den Kulissen des Fotos erledigen. Diese 75 % sind das Wichtigste und helfen uns, jemanden authentisch zu porträtieren, sodass seine Persönlichkeit zum Ausdruck kommt. Wenn wir diese 75 % nicht richtig hinbekommen, haben wir am Ende unbrauchbare Fotos, auf denen die Leute befangen und unbehaglich aussehen. Niemand möchte ein Familienfoto verkaufen, auf dem alle Personen 100 % befangen und unbehaglich wirken. Alle wollen ein Porträt kaufen, das sie glücklich und behaglich zeigt. Wenn es Ihnen gelingt, Ihren Motiven ein gutes Gefühl zu geben, wird Ihr Job um einiges leichter.

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