26.06.2018

#uglylocationchallenge

written by:
Kaye Ford

26.06.2018

#uglylocationchallenge

Auf der Suche nach geeigneten Standorten für Landschafts- oder Porträtfotografie können die Meinungen weit auseinander klaffen: Was mancher als „öde“ oder „hässlich“ verwirft, ist in der kreativen Vision andrer Menschen Gold wert. Und so kam es, glaube ich, zur #UglyLocationChallenge. Diese Herausforderung möchte zeigen, dass ein scheinbar hässliches Umfeld zum optimalen Schauplatz für Porträtfotografie werden kann, wenn es mit einer anderen Einstellung und in einem anderen Licht betrachtet wird.

Zuerst war es ein in sozialen Netzwerken kursierender Artikel, der mich auf das Hashtag Ugly Location Challenge aufmerksam machte. Ich sah darin eine tolle Idee, um zu zeigen, dass die Porträtfotografie mehr vom Know-how des Fotografierenden als vom Reiz des Umfelds / Hintergrunds abhängt. Wir Fotografen betrachten die Welt mit anderen Augen. Ich weiß mit Sicherheit, dass ich oft Schönes sehe, wo andere Menschen nur Hässliches finden. Einen Hobbymarkt betrachte ich zwar definitiv nicht als „hässlich“, doch für Modeaufnahmen mit Model ist das schon ein sehr unkonventioneller Ort. Ich glaube, das ist mit ein Grund dafür, weshalb das so beliebt wurde und viel Interesse erregte. An einem Ort mit begrenzter Beleuchtung und ohne Setdesign konnte die Fotografin erst recht mit ihrem Know-how punkten. Sie arbeitete ohne künstliches Licht und verzichtete darauf, die Raumgestaltung des Geschäfts zu verändern, sondern nutzte einfach das, was vorhanden war. Damit ebnete sie auch für andere den Weg, neue Dinge an einem Ort auszuprobieren, den sie normalerweise nicht als Set gesehen hätten.

^ Bild von Kylie Eyra

 

Es zeigte, dass Porträtfotografie auch ohne ein „schönes“ Szenario und ohne ein teures Atelier zu mieten Umwerfendes leisten kann. Um etwas Interessantes aus einem solchen Standort herauszuholen, ist hier der Blick für Linien, Farben oder Winkel ausschlaggebend.

Für mich ist es wirklich eine große Herausforderung, anderen Fotografen einen Anstoß für ihre Weiterentwicklung zu geben. Einen Weg zu weisen, mit dem sie nicht nur selbst auf authentische Weise arbeiten sondern auch anderen helfen können, die Welt auf völlig neue und erfrischende Weise zu sehen.

 

Die Challenge hat mich dazu inspiriert, ein paar Aufnahmen in einem Modekaufhaus zu machen. Das ist zwar kein Umfeld, das ich persönlich als hässlich bezeichnen würde, aber ungewöhnlich ist es schon. Meine Vorstellung von einer hässlichen „Location“ ist vollkommen anders als das, was andere Leute als hässlich betrachten. Es ist wichtig, sich mit Komposition auszukennen und zu wissen, in welchem Aufnahmewinkel ein Ort interessant wirkt. Diese Aufnahme funktioniert, weil die perspektivischen Linien der Rolltreppe die Person im Foto umrahmen. Der langsamen Blendenöffnung ist zu verdanken, dass alle anderen Kunden am Bildrand verschwimmen. Gleichzeitig wird deutlich, dass die Aufnahme in einem öffentlichen Raum entstanden ist.

 

Wahrscheinlich würden die meisten Leute bei dem alten Hochsicherheitsgefängnis Alcatraz, das heute nicht mehr genutzt wird, nicht an ein fotografisches Set denken. Mit seinem abblätternden Putz und teilweise eingestürzten Mauern mag es hässlich und trostlos wirken. Für mich war das ein atemberaubender Ort mit großem fotografischem Potenzial. Dieses Waschbecken, das launisch an der verwitterten Wand zu kleben scheint? Ich kann mir hier ein Model in Haute-Couture-Kleid vorstellen, wie sie sich um dieses Becken herum drapiert oder gleich daneben faszinierende Körperpositionen einnimmt.

 

Viele Leute fragen mich, wie ich mit einem hässlichen Hintergrund arbeiten kann. Darauf gibt es keine Antwort, denn jeder versteht etwas anderes unter Hässlich und hat andere Vorstellungen davon, wie man etwas Schönes daraus machen kann. In diesem Foto wirkt die Beschränkung auf eine einfache Farbpalette. In obigem Bild können Sie die Rostspuren in der Wand mit dem verwahrlosten Türeingang einfach als Weiß- und Brauntöne sehen, die in ähnlicher Weise auch im Outfit des Models wiederkehren. Nicht viele Leute kämen auf die Idee, auf diese Art und Weise mit einem hässlichen Hintergrund zu arbeiten. Die meisten versuchen alles Hässliche im Umfeld der Person / des Models zu verstecken. <insert ZoeLondon.jpg>

 

Styling kann auch darin bestehen, mit absoluten Gegensätzen zu arbeiten! Ja, das ist ein weiterer Tipp für Ihre Arbeit: Kombinieren Sie „Hässlich“ mit „Hübsch“ oder „Glamourös“.

Bei einem Fotoshooting in einer Bar in London fand ich diese Toiletten mit ihren schwarzen – von etlichen Leuten vollbekritzelten – Fliesen interessant. Der Bildausschnitt wurde natürlich bewusst so ausgewählt, dass man die Toilette sehen kann. Manchmal gestattet es die Location nicht, die Aufnahme zu machen, die Sie im Kopf haben. Aber von dort können Sie weiter gehen, bis Sie das kreiert haben, was Ihnen vorschwebt. Überschreiten Sie die Grenzen der gängigen Vorstellungen von einem fotogenen Hintergrund. Werden Sie kreativ, um einzigartige magische Atmosphären zu schaffen.

 

 

Mittlerweile ist #UglyLocationChallenge zu einem populären Hashtag geworden. Suchen Sie es über Instagram oder Twitter, um sich an der Arbeit anderer Autoren zu inspirieren. Es ist auch lustig zu sehen, was andere als hässlich betrachten und wie sie damit arbeiten.

 

Es ist nicht nötig, die ganze Location zu zeigen, man kann sich auch auf einen kleinen Ausschnitt beschränken. Manchmal sind nicht alle Bildinhalte in einem besonderen Umfeld als hässlich zu betrachten. Sie brauchen nicht das gesamte Szenario in Ihren Fotos zu verwenden, manchmal kann schon ein kleiner Ausschnitt ein enormes Potenzial haben. Es geht darum, worin Ihr Blick etwas Schönes oder das Potenzial für ein Foto sieht, egal ob es sich um eine Ganzkörperaufnahme oder eine Nahaufnahme handelt. Sie können auch eine langsame Blendenzeit verwenden. Auf diese Weise verschwimmt der hässliche Ort, während die porträtierte Person scharf wird.

So, um das alles auf einen Nenner zu bringen: Ich glaube, es kommt einfach darauf an, auf die Suche zu gehen und spielerisch mit dem umzugehen, was man findet! Vielleicht finden Sie gerade an einem „hässlichen“ Ort, auf den Sie nie einen zweiten Gedanken verschwendet hätten, die besondere Inspiration für Ihre Kreativität und neue Porträts.

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